Läden der Poesie – Osterstraße / Hellkamp

Unter dem Motto „Poeten der Welt in kleinen Läden ganz groß“ sind wir am 1.11.2019 mit unserer literarischen Reihe in der Osterstraße und im Hellkamp im Hamburger Bezirk Eimsbüttel unterwegs gewesen. Die Veranstaltung fand im Rahmen des Interkulturellen Festivals eigenarten statt und wurde unterstützt mit Kulturgeldern des Bezirksamtes Hamburg-Eimsbüttel.


Erste Poetische Station war Concept Lèger in der Osterstraße 149. Hier lasen wir Werke der englischen Dichterin Elizabeth Barrett-Browning und hörten eigene Kompositionen von Gregory James Hellenkamp. Es las Martin L. Burns den englischen Originaltext und Viola Livera las die deutsche Übersetzung von Rainer Maria Rilke.

Fotos 2-8 © Marie Tabuena


Unsere zweite Station war in der Blumenstube Diana Hittig im Hellkamp 17.
Wir lasen Gedichte von Hans Christian Andersen und Inger Christensen. Ulla Nestler las die dänischen Gedichte und Viola Livera die deutsche Übersetzung von Hanns Grössel. Andreas Wolf spielte mit seinem Cello klassische Werke von Schumann.

Fotos 2-8 © Marie Tabuena


Bei SH-Dessous by Sandra Hamann ging es um den spanischen Dichter Frederico Garcia Lorca. Silvina Masa las die spanischen Texte und Viola Livera die deutschen Übersetzungen. Janika Thomas und Phil Görres vertonten Gedichte von Garcia Lorca für Gitarre und Gesang.

Fotos 2-8 © Marie Tabuena


Werke :

Elizabeth Barrett Browning (1806 - 1861)
Sonette aus dem Portugiesischen
Aus dem Englischen von Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

XXXII

The first time that the sun rose on thine oath
To love me, I looked forward to the moon
To slacken all those bonds which seemed too soon
And quickly tied to make a lasting troth.

Quick-loving hearts, I thought, may quickly loathe;
And, looking on myself, I seemed not one
For such man's love! --- more like an out-of-tune
Worn viol, a good singer would be wroth

To spoil his song with, and which, snatched in haste,
Is laid down at the first ill-sounding note.
I did not wrong myself so, but I placed

A wrong on thee. For perfect strains may float
'Neath master-hands, from instruments defaced, ---
And great souls, at one stroke, may do and doat.


XXXII

Am ersten Tag in deiner Liebe sah
ich bang dem Mond entgegen, weil ich meinte,
er würde unaufhaltsam dieses da
auflösen, das zu rasch und früh Vereinte.

Wer rasch im Lieben ist, schätzt rasch gering,
und was mich selbst betraf: ich war kein Ding
für solchen Mannes Liebe. - Wer vermiede
nicht eine Geige, welche seinem Liede

nur Schaden tut: wer legte sie nicht hin
beim ersten Misston? Ach ich hatte recht
für mich und für mein Herz, doch nicht für deines.

Ist auch ein Instrument verbraucht und schlecht:
für einen Meister ist Musik darin, -
Handeln und Lieben ist den Großen eines.
Hans Christian Andersen 
(geb. 2.4.1805, Odense, Dänemark, gest.: 4.8.1875, Rolighed)
Gesammelte Gedichte. Erster Teil - Kapitel 4
Übersetzung von Hanns Grössel

Digterens sidste Sang

Løft mig kun bort, Du stærke Død,
Til Aandens store Lande!
Jeg gik den Vei, som Gud mig bød,
Fremad, med opreist Pande.
Alt hvad jeg gav, Gud, det var dit,1
Min Rigdom ei jeg vidste!
Hvad jeg har øvet, er kun lidt,
Jeg sang som Fugl paa Qviste!
                                                                      Farvel hver Rose frisk og rød,
Farvel, I mine Kjære!
Løft mig kun bort Du stærke Død,
Skjøndt her er godt at være!
Hav Tak, o Gud, for hvad Du gav,
Hav Tak for hvad der kommer!
Flyv Død, hen over Tidens Hav,
Bort til en evig Sommer!


Des Dichters letztes Lied

Du starker Tod, führ' mich hinan

Zum Geisterlande droben!
Die mir von Gott gewies'ne Bahn
Zog ich, die Stirn erhoben;
Was ich gegeben, Gott, war Dein,
Mein Reichtum war mein Träumen;
Nur wenig tat ich, – sang darein,
Wie Vöglein auf den Bäumen.

Leb' wohl, Du Rose, frisch und rot,
Lebt wohl, Ihr meine Lieben!
Führ' mich hinan, Du starker Tod,
Obgleich ich gern geblieben.
Hab' Dank, o Gott! für all dein Gut,
Für alle künft'gen Zeiten; –
Nun stürme, Tod, durch Zeitenflut
Zu ew'gen Sommerfreuden!
Inger Christensen, dänische Dichterin, geb.1935 in Veije Ostküste von Jütland in Dänemark, gest. 2.1.2009 in Kopenhagen 

alfabet (12)

livet, luften vi indånder findes
livet, luften vi indånder findes
en lethed i alt, en lighed i alt,
en ligning, et åbent bevægeligt udsagn
i alt, og mens træ efter træ bruser op i
den tidlige sommer, en lidenskab, lidenskab
i alt, som fandtes der til luftens leg med
den faldende manna en enkel principtegning,
enkel som når lykken har masser af mad
og ulykken ingen, enkel som når længslen
har masser af veje og lidelsen ingen,
enkel som den hellige lotus er enkel
fordi den kan spises, en tegning så enkel
som når latteren tegner dit ansigt i luft

© Inger Christensen & Gyldendalske Boghandel Nordisk Forlag AS, 1981
Aus: alfabet / alphabet

alphabet (12)

das leben, die luft die wir einatmen gibt es
das leben, die luft die wir einatmen gibt es
eine leichtigkeit in allem, eine gleichheit in allem,
eine gleichung, eine offen bewegliche aussage
in allem, und während baum um baum hinaufbraust in
den frühen sommer, eine leidenschaft, leidenschaft
in allem, als gäbe es für das spiel der luft mit
dem fallenden manna eine einfache modellzeichnung,
einfach wie wenn das glück massenhaft nahrung hat
und das unglück keine, einfach wie wenn die sehnsucht
massenhaft wege hat und das leiden keine,
einfach wie der heilige lotus einfach ist
weil man ihn essen kann, eine zeichnung so einfach
wie wenn das lachen dein gesicht in luft zeichnet

Aus dem Dänischen von Hanns Grössel
Aus: alfabet / alphabet, Münster: Kleinheinrich Verlag, 2001
© Kleinheinrich Verlag, Münster 1988, 1990 und 2001
Federico del Sagrado Corazón de Jesús García Lorca
*5. Juni 1898, Fuente Vaqueros, Spanien, Ermordet: 18. August 1936, Granada, Spanien

La guitarra

Empieza el llanto
de la guitarra.
Se rompen las copas
de la madrugada.
Empieza el llanto
de la guitarra.
Es inútil callarla.
Es imposible callarla.

Llora monótona
como llora el agua,
como llora el viento
sobre la nevada.
Es imposible callarla.
Llora por cosas lejanas.

Arena del Sur caliente
que pide camelias blancas.
Llora flecha sin blanco,
la tarde sin mañana,
y el primer pájaro muerto
sobre la rama.

¡Oh guitarra!
Corazón malherido
por cinco espadas.
........................................
Die Gitarre

Die Gitarre
Beginnt zu weinen.
Es zerbrechen die Gläser
Der Morgendämmerung.
Die Gitarre
Beginnt zu weinen.
Sinnlos, sie zu trösten.
Unmöglich, sie zu trösten.

Eintönig weint sie,
Wie das Wasser weint,
Wie der Wind weint
Über dem Schneefeld.
Unmöglich, sie zu trösten.
Sie weint um ferne Dinge.

Sand des heißen Südwinds,
Der weiße Kamelien fordert.
Der Pfeil weint ohne Ziel,
Der Nachmittag ohne Morgen,
Und der erste tote Vogel
Auf dem Zweig.

Oh Gitarre!
Herz, tödlich verwundet
Durch fünf Schwerter.

Übersetzt von Valeriu Raut

Läden der Poesie – Marktstraße / Glashüttenstraße Herbst 2019

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